Die Verlegung der Geburtshilfestation vom Rastatter Krankenhaus nach Baden-Baden treibt die Rastatter SPD um.
Er sei „in tiefer Sorge und großer Beunruhigung“, gibt sich Jonas Weber als besorgter Bürger und versucht damit, den Eindruck der Ahnungslosigkeit zu erwecken. „Was soll hier an dauerhaften Veränderungen vorbereitet und ausprobiert werden?“, raunt es verschwörerisch im Antrag der SPD für eine Resolution im Gemeinderat.
Aber Jonas Weber ist nicht nur Rastatter Bürger und Gemeinderat. Als Kreisrat ist er Vertreter einer Mitgesellschafterin der Klinikum Mittelbaden gGmbH und erhält – wie alle Mitglieder des Kreistags – regelmäßig die wichtigsten Informationen. Zudem war er bis Sommer 2019 Mitglied des Aufsichtsrat des Klinikums. Die wirtschaftliche Situation, die Rahmenbedingungen und die aktuellen Diskussionen über die künftige Struktur der KMB sollten ihm also geläufig sein. Obendrein war zum Zeitpunkt der Fragestellung der SPD im Gemeinderat längst bekannt, dass der Kreistag zusammen mit dem Baden-Badener Gemeinderat über genau diese Fragen am 1. Juli informiert werden würde.
Nach meinem Dafürhalten hat das Klinikum Mittelbaden mit dem gemeinsamen Einsatz all seiner MitarbeiterInnen die immensen Herausforderungen der Corona-Pandemie bislang glänzend bewältigt. Die Zentralisierung der Geburtshilfe in Baden-Baden war dabei nur ein, wenn auch wichtiger, Baustein einer komplexen Umstrukturierung. Noch ist die Pandemie nicht vorbei. Eine Geburtshilfestation ist kein Wanderzirkus. Eine vorzeitige Rückkehr nach Rastatt birgt das Risiko, bei einer zweiten Corona-Welle erneut verlegt werden zu müssen. Deshalb ist die Entscheidung, die Geburtshilfe zunächst in Balg zu belassen, richtig. Ende offen. So lange, wie es die Pandemie erfordert.
Mit dem Gutachten zur künftigen Struktur des Klinikums Mittelbaden hat dies erst mal nichts zu tun. Oder doch? Wenn dieses Gutachten ausdrücklich empfiehlt, die Gynäkologie/Geburtshilfe dauerhaft an einem Standort (Balg) zu konzentrieren, braucht es gute Gründe, dies nicht zu tun. Schließlich gibt es nur in Balg eine Kinderklinik, ist dort die Neonatologie untergebracht, und Risikogeburten dürfen in Rastatt ohnehin nicht stattfiden. Wozu also 0,9 Mio pro Jahr zusätzlich ausgeben?
Die Geburtsurkunde, sagt Jonas Weber. Ohne das „Gütesiegel Geboren in Rastatt“ wären die neuen Erdenbürger quasi heimatlos. Vaterlandslose Gesellen. Töne, die man eher vom rechten Rand erwarten würde. Auch ich bin ohne dieses Gütesiegel geboren, ohne ersichtliche psychische Defizite davonzutragen (so hoffe ich jedenfalls). Es soll sogar Menschen in Rastatt geben, die nicht einmal in Deutschland geboren sind! Ist das ein Defizit?
Schon einmal hat das Klinikum Mittelbaden eine Geburtshilfestation verlegt: 2016, von Bühl nach Baden-Baden. Der Bühler Alt-Oberbürgermeister Striebel hat damals mit der Aussage, die Bühler Kinder würden damit „entwurzelt“, für Augenrollen im Kreistag gesorgt – ok, der Mann ist nicht mehr der Jüngste. Aber Jonas Weber?
Dabei hätte es 2016 durchaus einen guten Grund gegeben, die Bühler Station zu erhalten, ein wirkliches Gütesiegel: nämlich die Zertifizierung als „babyfreundliche Geburtsklinik“ nach WHO/UNICEF. Die bündnisgrüne Kreistagsfraktion hat damals aber nicht gleich die Sinnhaftigkeit der Zusammenlegung komplett infrage gestellt, sondern beantragt, diese Zertifizierung auch für Baden-Baden zu übernehmen. Wer hat da wohl dagegen gestimmt? Richtig, die SozialdemokratInnen unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Jonas Weber (samt allen anderen Fraktionen).
Auch die Rastatter Geburtshilfe genießt in dieser Hinsicht einen guten Ruf. Frauen haben sich gezielt Rastatt ausgesucht, weil dort Wert auf Körperkontakt und das Stillen gelegt wird. Aber warum sollte das auf Rastatt beschränkt bleiben? Warum sollten Gebärende und Neugeborene in Baden-Baden darauf verzichten? Auch die Einrichtung eines Hebammen-Kreissaals in Balg, wie ihn die Vorsitzende des Hebammenverbands Rastatt/Baden-Baden vorgeschlagen hat, könnte Teil einer Lösung sein, die mehr wäre als nur Effizienzsteigerung : eine Verbesserung für alle Beteiligten.
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